Das Verlangen andere zu sehen

Der Raspberry Pi 4 eignet sich als Web-Client für Videokonferenzen

Seit März 2020 wütet die COVID-19-Pandemie in Deutschland und zwingt die Menschen zum sozialem Abstand.
Viele fürchten um ihre geliebten Menschen, besonders wenn diese schon älter sind. Jedoch möchten die Menschen den Kontakt untereinander nicht verlieren. Einige Firmen müssen ihre Mitarbeiter nach Hause schicken, Homeoffice ist eines der Wörter aus diesem Jahr. Ein vollständiges Meeting an einem Tisch ist nicht möglich.

Aus dieser Not heraus, ist in den letzten Monaten die Nutzung von Diensten für Videokonferenzen stark angestiegen.
Damit die Firmen diese Funktion auch nutzen können, müssten sie jedoch neue teure Geräte anschaffen. Viele Mitarbeiter möchten nicht ihren privaten Geräten für die Arbeit nutzen bzw. Firmen möchten nicht, dass Firmendaten auf privaten Geräten ihrer Mitarbeiter vorhanden ist.

In diesem Eintrag wollen wir berichten, ob der Raspberry Pi dafür ein gute und kostengünstige Lösung darstellt. Dafür haben wir uns vier der populärsten Anwendungen angeschaut - Jitsi Meet, Zoom, Slack und Microsoft Teams.

Hardware

Als Ausstattung haben wir folgendes verwendet:

- Raspberry Pi 4 mit 8GB 
- SD-Karte mit 32 GB
- Raspberry Maus und Raspberry Tastatur 
- LogiLink USB Headset
- LogiLink USB Webcam
- USB-Hub mit Stromzufuhr

Anzumerken ist, dass wir einen USB-Hub mit eigenem Anschluss für die Stromzufuhr verwendet haben, darüber wurde das USB Headset und die Webcam angeschlossen. Dies sorgt dafür, dass der Pi entlastet wird, da der nötige Strom nicht über die USB-Buchsen des Raspberry Pis gezogen wird.

Software

Als Betriebssystem dient der Raspberry Pi OS (ehemals Raspbian genannt), welcher auf der SD-Karte installiert wurde.
Zum Test verwenden wir zwei Browser. Der eine ist der bereits vorinstallierte Chromium und der andere ist Vivaldi, welcher nachinstalliert wurde.

Vivaldi

Um Vivaldi auf den Raspberry Pi OS zu installieren, müssen wir das Paket für die passende Architektur runterladen.

Dafür gehen wir auf die Seite von Vivaldi https://vivaldi.com/download/ und wählen im Drop-Down-Menü "LINUX DEB ARM" aus.

 

Wir öffnen diese Datei und es erscheint eine Dialogbox. Darin klicken wir auf "Install" und geben nach der Aufforderung unser Nutzerpasswort ein. Nach einigen Minuten warten, ist Vivaldi installiert.

 

Falls jemand die Kommandozeile bevorzugen sollte:

$ cd /home/pi/Pfad/zur/Datei
$ sudo apt install ./vivaldi-stable_3.2.1967.47-1_armhf.deb


Wahrscheinlich hat sich die Versionsnummer zum Zeitpunkt, an der Sie diesen Artikel lesen, geändert und kann dementsprechend anders aussehen. Ändern Sie den Befehl so um, sodass es passt.

Audio

Am Anfang funktionierte beim Voice-Chat nur der Toneingang, ohne den Tonausgang. Gelöst haben wir dies über die Installation von Pulseaudio.

Das kann über die folgende Kommandozeile getan werden:

$ sudo apt install pulseaudio


Andererseits kann man auch über die graphische Oberfläche gehen:

"Applications Menu" -> "Preferences" -> "Add/Remove Software" -> nach "pulseaudio" suchen -> Häkchen auf Pulsaudio setzen

Dann mit "Apply" und dem Nutzernamen und Passwort die Installation bestätigen. Und anschließend neustarten.



Jitsi Meet

Jitsi ist eine überaus große Ansammlung von freier Opensource Software für VoIP, Videokonferenzen und Instant-Messaging. Am 19. August 2020 umfasst diese ca. 121 Repositories auf Github.

Es ist eine kostenfreie JavaScript WebRTC Anwendung für Videokonferenzen, die als App in den jeweiligen Appstores für iOS und Android vorhanden ist (für Android-Nutzer ohne Google-Play auch in der F-Droid Repository erhältlich).
Für den Desktop Gebrauch und für unseren Pi nutzen wir die Webanwendung auf dem Browser.

Für Jitsi Meet benötigen wir im Gegensatz zu den anderen Services keinen Account. Es muss nur der Link zur erstellten Konferenz ausgetauscht werden. Jitsi Meet ist auch bei mehr als zwei Teilnehmer kostenfrei.

Nutzung

Um Jitsi zu nutzen, sind folgende Schritte nötig:

        1. 1. https://meet.jit.si/ öffnen
          2. Konferenz einen Namen geben, die in die vorgegeben Zeile eingegeben wird und anschließend Enter drücken oder auf "Go" klicken.
          3. Kamera und Mikrophon einstellen und auf "Join Meeting" klicken.
        2. 4. Um eine weitere Person einzuladen, klicke auf "Invite more people" und dann auf den blauen Knopf, auf dem der Link zur Konferenz steht.
          Diesen Link haben wir nun in der Zwischenablage und können ihn an andere schicken. Den Link könnte man auch aus der URL-Leiste kopieren.
        3.  
        4. WICHTIG!!! Zur Sicherheit haben wir ein Passwort für die Konferenz vergeben. Andernfalls könnte eine fremde Person durch Zufall oder mit Absicht durch den Link unerwünscht der Konferenz beitreten.
        5.  
        6. Dieses Passwort kann man wie folgt festlegen:
        7. a) Klicke unten rechts auf das gelbe Schild
          b) Dann auf "Add Password"
          c) Passwort in Eingabezeile eingeben
          d). Enter-Taste drücken oder "Add" klicken

Mit Jitsi ist man in der Lage während des Video-Chats einen normalen Text-Chat zu starten und außerdem auch Screensharing zu betreiben.

Darstellung eines Meetings inkl. geöffnetem Chatfenster


Darstellung Passwort-Eingabe

Fazit

Bei Jitsi Meet gab es keine Unterschiede, ob man Chromium oder Vivaldi verwendet.

Der Ton funktionierte bei beiden sehr gut. Er war für beide Seiten gut verständlich.

Bei der Bildübertragung und beim Bildempfang gab es allerdings kleine Probleme. Mit der Standardeinstellung gab es beim Bildempfang für den Nutzer des Raspberry Pi eine Zeitverzögerung von bis zu 10 Sekunden.
Abhilfe brachte eine Einstellung der Kameraqualität. Diese wurde heruntergesetzt, sodass der Prozessor weniger belastet wurde.
Weiterhin besitzt Jitsi eine Option, die Videos der Teilnehmer in Kacheln anzuzeigen. Das schien wohl die Videoauflösung zu reduzieren und ebenso den Prozessor zu entlasten.

Nach einer gewissen Zeit mit der gleichzeitigen Nutzung anderer Anwendungen wurde das eigene Bild geteilt und es entstand ein Screentearing.

Anzeige Screentearing


Zoom

Ein Dienst für Videokonferenzen, welcher in letzter Zeit in aller Munde ist, ist Zoom.
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2011 von Eric Yuan und wuchs stetig. Die Pandemie in diesem Jahr führte zusätzlich zu einem sprunghaften Anstieg.

Um Zoom zu nutzen, muss sich mindestens eine Person einen Account anlegen. Bei der kostenfreien Nutzung ist es zwei Teilnehmern möglich unbegrenzt miteinander zu kommunizieren. Ab drei Teilnehmern wird die Gesprächsdauer auf 40 Minuten eingeschränkt.

Nutzung

1. Um ein Meeting zu starten geht man im angemeldeten Account auf "HOST A MEETING" und anschließend auf "With Video On".

2. Danach sollte das Video mit dem vorhandenen Feld und Audio mit "Join with Computer" gestartet werden

3. Um weitere Teilnehmer einzuladen geht man auf "Manage Participants" -> "Invite" -> "Copy Link" und schickt den Link an die gewünschten Personen.
Das im Dialog aufgeführte Passwort für die Konferenz sollte ebenso mitgeschickt werden.

4. Die Screen Sharing Funktion ist davon abhängig, unter welche Version der Host das Meeting gestartet hat. Unter der kostenlosen Version kann nur der Host seinen Desktop mit den Teilnehmern teilen.


Fazit

Gegensätzlich zum Hype, ist unser Test doch leider ernüchternd ausgefallen.

Chromium scheint auf dem Raspberry Pi nicht gut mit Zoom zu funktionieren. Beide Teilnehmer hören sich im Echo. Und von Seiten des Pi Nutzers wird kein Bild wiedergegeben.

Mit Vivaldi konnte die Herausforderung behoben werden und ein Bild wird angezeigt. Dieses ist allerdings leider in 2 Hälften geteilt und versetzt. Der Tonempfang ist verzerrt.


Slack

Für viele Unternehmen und deren Teams hat sich Slack als ein webbasiertes Instant-Messaging-Tool durchgesetzt. Auch wenn es an erster Stelle als Text-Chat-Dienst verwendet wird, hat es eine hervorragende Video-Chat-Funktion.

Als Nutzer erstellt man als erstes einen Workspace. Der Name des Teams kann hier selbst gewählt werden. Konversationen finden in den Kanälen auf einem Workspace statt.

Für unseren Test haben wir die kostenlose Version von Slack genutzt.

Hier hatten wir folgende Möglichkeiten:

- bis zu 10.000 Nachrichten
- 1:1 Video-Chat
- max. 10 App Integrations
- 5GB Kapazität als Dateiablage für die Gruppe

Nutzung

Für eine Videokonferenz in einer Gruppe von mehr als zwei Teilnehmern, wird eine kostenpflichtige Version benötigt. Bis zwei Teilnehmern ist das Gespräch kostenfrei. Dafür betritt man den individuellen Chat mit der gewünschten Person und klickt oben rechts auf das Telefonsymbol.

Slack bietet die Funktion den Desktop zu teilen. Der Chat wird in einem neuem Browser-Tab geöffnet, falls man dem anderen Partner eine Nachricht schicken möchte.

Als kleinen Bonus kann man einige Emojis oder kleine Texte während der Konferenz schicken. Diese werden jedoch nur für einen kurzen Moment angezeigt. So kann man seinem Gegenüber zum Beispiel einen Daumen nach oben schicken, um seine Zustimmung zu signalisieren.


Fazit

Erstaunlicherweise lief Slack sehr gut. Es wies keine Zeitverzögerung und verzerrte Tonausgabe auf. Es gab ein durchgehendes, wenn auch kleines Ruckeln, beim Video des Pi Nutzers, dass für uns verkraftbar war. Es machte hierbei keinen Unterschied, ob man Chromium oder Vivaldi genutzt hat.


Microsoft Teams

Ein weiterer Dienst, der für Projektarbeiten ausgelegt ist, wie der Name schon sagt, Microsoft Teams.
Microsoft Teams wurde in erster Linie dafür entwickelt, dass Mitarbeitern untereinander kommunizieren und dadurch die Arbeit besser koordinieren zu können. Der Chat und Datenaustausch ist demnach das Hauptaugenmerk. Man kann Teams (Gruppen) - äquivalent zu "Workspaces" in Slack - und darunter Kanäle erstellen.

Für unseren Test haben wir die kostenfreie Version, genauso wie bei Slack, genutzt.

Vergleicht man jedoch Slack und Microsoft Teams, hat Microsoft Teams aber bessere Funktionen:

- Integration von Apps hat keine Grenzen
- für Dateiablagen sind bis zu 10 GB verfügbar
- keine Grenzen bei Anzahl von Nachrichten
- Videokonferenz mit bis zu 20 Teilnehmern möglich

Nutzung

Als aller erstes benötigen die Teilnehmer jeweils ein Microsoft-Konto. Eine Person muss ein Team erstellen und andere einladen. Das kann auch von einem zugewiesenen Admin erledigt werden. Die Konferenz kann entweder von einem Chat aus oder direkt durch Meeting gestartet werden.

Im Chat sind rechts oben zwei Symbole zu sehen. Es gibt hier die Auswahl, ob man mit oder ohne Videochat miteinander kommunizieren möchte.

Ein Meeting kann gestartet werden, indem wir in der linken Leiste auf "Meeting" drücken und danach auf "Meet now" gehen. Mit "Schedule a meeting" kann auch ein Meeting für einen späteren Zeitpunkt geplant werden. Beim ersten Öffnen des Meetings kann man über den eingeblendeten Dialog über "Copy meeting link" den Einladungslink kopieren. Später ist es dann über den Menüpunkt "Manage Participants" möglich.


Fazit

Von Microsoft Teams wird angezeigt, dass Video-Chat auf Chromium nicht unterstützt wird. Weshalb wir dies nur auf Vivaldi testen konnten.

In unserem Test mit zwei Teilnehmern, funktioniert die Audio sehr gut. Wir konnten uns gegenseitig gut hören.
Die Bildübertragung zeigt leider das gleiche Problem wie bei Jitsi Meet. Es herrscht eine Videoverzögerung von bis zu 10 Sekunden. Es gab leider nicht die Möglichkeit die Videoqualität zu ändern. Das ist natürlich schade, da die kostenlose Version von Microsoft Teams auf dem Papier mehr zu bieten hat, als die von Slack.

Unsere Bilanz

Jitsi Meet Zoom Slack Microsoft Teams

Accounts

Wird nicht benötigt

Mindestens ein Account wird benötigt

Alle Teilnehmer brauchen einen Account

Alle Teilnehmer brauchen einen Account

Begrenzung (Teilnehmer)

keine Begrenzung angegeben

Für zwei Teilnehmer unbegrenzt, ab drei Teilnehmern Beschränkung auf 40 Minuten (kostenfrei)

Nur zwei Teilnehmer

Maximal 20 Teilnehmer

Ergebnis Chromium

Audio mit Verzögerung, lässt sich lösen; Screentearing nach einer gewissen Zeit

Ton vorhanden; kein Bild

Durchgehendes, kleines Ruckeln

Wird nicht unterstützt

Ergebnis Vivaldi

Wie bei Chromium

Ton vorhanden, aber verzerrt; Screentearing

Wie bei Chromium

Audio hat Zeitverzögerung, nicht lösbar

Unsere Empfehlung

Je nachdem auf welche Funktion Sie Wert legen, können wir verschiedenen Anwendungen empfehlen.

  • Ist es Ihnen wichtig, dass keine feste Begrenzung in der Teilnehmerzahl vorhanden ist? Ist Jitsi Meet genau das richtige. Außerdem muss hier kein extra Account angelegt werden, somit ist der Einstieg in die Anwendung sehr einfach gehalten.
  • Möchten Sie so wenig wie möglich Fehler haben, dann können wir Slack empfehlen. Diese Anwendung läuft fast fehlerfrei, sowohl auf Chromium, als auch auf Vivaldi.

Von Zoom und auch von Microsoft Teams können wir jedoch eher abraten, zumindest im Zusammenhang mit der Nutzung des Raspberry Pi4. Da bei Zoom und bei Microsoft Teams einige Fehler aufgetreten sind. Bei Microsoft Teams wird zudem Chromium nicht unterstützt.


Sold out

Sold out

Sold out

Credits:

Photo by Chris Montgomery on Unsplash

3 Kommentare

Lasse LaBambalee

Lasse LaBambalee

In Firefox mit dem Addon für Hanouts wäre noch eine Option, welche gut funktioniert ;-)

Stephanie

Stephanie

Hallo Bernd,

wir wollten mit diesem Test den “Durchschnittsnutzer” ansprechen. Die USB-Webcam ist einfach zu installieren und Chromium ist im Raspbian/Raspberry Pi OS schon vorinstalliert. Die Videokonferenz von Microsoft Teams lief außerdem nicht auf Firefox. Ein reiner Vergleich auf Chromium erschien an der Stelle daher fairer.

Liebe Grüße,
Stephie

Bernd Heydemann

Bernd Heydemann

Frage1: Warum wurde kein Raspberry Pi Kameramodul benutzt?
Frage2: Warum wurde Firefox nicht getestet?

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